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Veranstaltungsarchiv 2015

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Podiumsgespräch zum Thema "Flüchtlinge" mit Dr. Klahr in der Paulusgemeinde Emden
Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr (Bildmitte) hatte gemeinsam mit dem Präsidenten der Hochschule Emden/Leer, Professor Dr. Gerhard Kreutz (2.v.l.) und dem Vizepräsidenten, Professor Dr. Eric Mührel (rechts), die Integrationsbeauftragte der Paulusgemeinde, Selma Kurganow (links), den Vorsitzenden des Integrationsrates der Stadt Emden, Abdou Ouedraogo (2.v.r.), und Edvija Imamovic von der Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe der Stadt Emden zu einem Podiumsgespräch in das Gemeindehaus der Evangelisch-lutherischen Paulusgemeinde in die Emder Geibelstraße eingeladen (Foto: Hannegreth Grundmann)

Aufeinander zugehen
Miteinander als wichtiges Ziel der Integration von Flüchtlingen
Diskussionsforum der Hochschule Emden/Leer und des Sprengels Ostfriesland-Ems in Emden


Der Präsident der Hochschule Emden/Leer, Professor Dr. Gerhard Kreutz, und der Regionalbischof für den Evangelisch-lutherischen Sprengel Ostfriesland-Ems, Dr. Detlef Klahr, begrüßten 100 Besucher beim zweiten gesellschaftspolitischen Forum der Hochschule und des Sprengels im Gemeindehaus der Paulusgemeinde in Emden.

Gesellschaftliche Verantwortung wolle die Hochschule übernehmen, wie es in ihrem Leitbild verankert sei, sagte der Präsident. So veranstaltet die Hochschule gemeinsam mit dem Sprengel dieses Diskussionsforum zu aktuellen gesellschaftspolitischen Fragestellungen mit Impulsen aus Kultur, Kirche und Politik.

Wie aktuell das Thema "Flüchtlinge" sei, zeige die unerwartet hohe Teilnehmerzahl. Der Raum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Dass derzeit weltweit über 50 Millionen Menschen auf der Flucht sind, sei erschütternd, sagte Kreutz. Die Bilder von den Flüchtlingen im Mittelmeer machten betroffen, aber auch die Herausforderung, wo sie unterkommen könnten. Alle seien aufgefordert zu überlegen, was konkret getan werden könne. Es gebe keine Probleme, sondern Chancen und Herausforderungen, sagte Kreutz. So habe die Hochschule es ermöglicht, dass Flüchtlinge ab dem Wintersemester als Ergänzungshörer am Lehrbetrieb teilnehmen können.

Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr unterstützt das Forum, weil es ihm wichtig sei, miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Paulusgemeinde sei als Ort des Forums ausgewählt worden, weil sich die Gemeinde schon seit 1997 in der Migrationsfrage und nun auch für Flüchtlinge engagiere.

"Gott ist ein Freund der Fremden", sagte der Regionalbischof und erinnerte an das Jesus-Wort: "Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen." Christen könnten sich diesem Auftrag, Fremde aufzunehmen nicht entziehen. In den Kirchen engagieren sich bereits viele Haupt- und Ehrenamtliche in diesem Bereich. Sie würden aufstehen und aufeinander zugehen. Die Landeskirche Hannovers stellt jährlich 300.000,- Euro zur Verfügung, um Projekte zur Integration von Flüchtlingen in den Kirchengemeinden zu unterstützen. Auch das Diakonische Werk helfe dabei.

Kein Mensch sei freiwillig auf der Flucht, gab Klahr zu bedenken. "Ich traue diesem Land und auch der Stadt Emden viel zu!", sagte Klahr und stellte mit einem Wort von Landesbischof Ralf Meister, der tags zuvor in Emden war, die Brisanz des Themas heraus: "Wenn wir diese Aufgabe nicht bewältigen, dann sei sie in der Lage, die Gesellschaft zu spalten." Klahr sprach sich für eine Vernetzung aller Beteiligten aus und wünscht sich, dass die Stadt Emden zu solch einem großen Netzwerktreffen einlädt, um sich gemeinsam der Aufgabe zu stellen, 400 Flüchtlinge jährlich aufzunehmen.

Der Vizepräsident der Hochschule, Professor Dr. Eric Mührel, moderierte den Abend und gab einen Impuls aus kultureller Sicht. Der Ort Lampedusa stehe für ein kulturelles Trauma, ein nicht mehr übersehbares und nicht hinnehmbares Leid von Menschen. "Der Kontinent Europa kann die Entwürdigung und das Leid der Flüchtlinge nicht hinnehmen, weil wir es als Anschlag auf unsere eigene Würde verstehen", so Mührel. "Kultur" definierte Mührel als komplexes Gewebe von bedeutungsvollen sinnstiftenden Aktivitäten. "Wir wollen uns bemühen, vor Ort eine Kultur mitzugestalten, in der Flüchtlinge uns in Würde und auf Augenhöhe begegnen können", sagte Mührel.

Beispiele aus der Integrationsarbeit
Beispiele dafür, was in der Flüchtlingsarbeit in Emden geschieht, gaben die Integrationsbeauftragte der Paulusgemeinde, Selma Kurganow, der Vorsitzende des Integrationsrates der Stadt Emden, Abdou Ouedraogo, und Edvija Imamovic von der Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe der Stadt Emden.

"Wir Christen sind für den Nächsten verantwortlich", sagte Selma Kurganow und erzählte von der Entscheidung des Kirchenkreises Emden-Leer 1997 eine Beratungsstelle für Spätaussiedler einzurichten, die sie mit einer halben Stelle versieht.

Durch das neue Zuwanderungsgesetz 2005 sei diese Stelle dann zur Migrationserstberatung für Erwachsene mit dauerhaftem Aufenthalt, die älter sind als 27 Jahre, geworden. Die Beratungsstelle ist vertraulich und kostenlos. In den letzten zwei Jahren kommen auch Menschen, die keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung haben, aus Syrien und aus dem Irak.

Mit einer weiteren halben Stelle ist Kurganow zuständig für Integrationsprojektarbeit mit Frauen, gefördert durch den Kirchenkreis und das Frauenwerk der Landeskirche Hannovers. So startete das erste Sprachcafé im April 2014 mit Frauen aus Russland, Syrien, Irak, Mazedonien und einheimischen Frauen. Das Sprachcafé bietet die Möglichkeit, die Sprache, Sitten und Gebräuche des Landes kennenzulernen. Es sei aber auch ein Raum, in dem Fragen gestellt werden können und Hemmungen und Ängste verschwinden. Auf Anfrage eines Integrationslotsen der Stadt Emden wurde im Februar 2015 ein weiteres Sprachcafé gegründet.

"Es ist nicht leicht, einen Neuanfang zu machen. Die Eingewanderten müssen die Sprache und die Gesellschaft kennenlernen. Integration funktioniert nur, wenn Menschen, die hier herkommen und die Gesellschaft hier aufeinander zugehen. Das Miteinander ist ein wichtiges Ziel der Integrationsberatung", fasst Selma Kurganow ihre Arbeit zusammen. Mit 29 Teilnehmern habe ein Besuch des Ostfriesischen Landesmuseums stattgefunden und gemeinsam mit dem Landesmuseum werde an dem Projekt "Entwurzelung - Neuanfang" gearbeitet.

Es sei wichtig, Fremdheit nicht als Bedrohung anzusehen und den Zugewanderten das Gefühl zu geben, willkommen zu sein. So dankte Kurganow an dieser Stelle der Paulusgemeinde im Namen der Migranten für die Unterstützung und die Offenheit.

"Der Integrationsrat der Stadt Emden begrüßt die Initiative der Hochschule und des Sprengels, zu diesem Diskussionsforum einzuladen, um Wege zu finden, wie Flüchtlinge in Emden begleitet werden könnten", sagte Abdou Oudraogo.

In erster Linie sei zu bedenken, dass die Flüchtlinge viel Segen mit sich bringen. Der Integrationsrat mache keinen Unterschied zwischen politischen oder wirtschaftlichen Flüchtlingen. Mit seinen sieben Personen halte der Integrationsrat die Verbindung zwischen der Landespolitik und der Kommune. Der Vorsitzende freute sich, dass am 13. Juni die neuen Integrationslotsen ihre Zertifikate bekommen: "Wir brauchen diese Menschen, damit sie den Kontakt schaffen können zwischen den Migranten und der Stadt Emden."

"Ich weiß, was es heißt, die Heimat zu verlassen, auf Flucht zu sein und in einem fremden Land anzukommen", sagte Edvija Imamovic von der Koordinierungsstelle für Migration und Teilhabe der Stadt Emden. Auf Grund des Krieges in Bosnien-Herzegowina war sie vor 23 Jahren als Flüchtling hierhergekommen. Sie hat an der Hochschule Emden/Leer studiert. Wichtig sei ihr, den Begriff der "Willkommenskultur" neu zu überdenken. Dazu gehörten entsprechende Strukturen und die Offenheit dafür, diese Menschen aufzunehmen.

Die meisten Flüchtlinge in Emden kommen aus Syrien, Mazedonien, Serbien, Albanien, Eritrea und Afghanistan. Bisher sind sie dezentral über die Stadt verteilt worden, die meisten im Zentrum, in Borssum und Barenburg. Weil es immer schwieriger werde, Wohnraum anzumieten, werde 2016 eine Gemeinschaftsunterkunft für 40 Personen in der ehemaligen Jugendwerkstatt in Larrelt eingerichtet, die als erste Aufnahmeeinrichtung in Emden vorgesehen ist und wo die Personen höchstens ein Jahr bleiben sollen.

"Wir haben zum Glück Strukturen, die gut funktionieren, weil wir gute Netzwerkarbeit haben", freute sich Imamovic und betonte die Zusammenarbeit der Flüchtlingshilfestelle und der Koordinierungsstelle mit den Integrationslotsen. Diese seien der Koordinierungsstelle zugeordnet. Sie begleiten die Flüchtlinge zu den Behörden und übernehmen Aufgaben in der Begegnung mit den Flüchtlingen, die die Fachstellen nicht leisten können. Der direkte Kontakt zu den Menschen sei prägend. Imamovic ermutigte dazu, sich als Integrationslotse ausbilden zu lassen.

Sie berichtete von Möglichkeiten die Flüchtlingsarbeit zu unterstützen, sei es in Sportpartnerschaften, Fahrradkursen oder mit einem Dolmetscherpool. Besonders dankte Imamovic der anwesenden Eske Nannen für die Unterstützung durch die Kunsthalle beim Erstellen eine Willkommensbroschüre in drei Sprachen, in Englisch, Arabisch und Serbisch.

Die Gesprächs- und Diskussionsrunde
In den vielen Redebeiträgen der Gesprächs- und Diskussionsrunde wurde noch einmal auf das Willkommensfest für Flüchtlinge des Gymnasiums am Treckfahrtstief am Tag nach dem Forum hingewiesen. Es sei auch ein Beispiel gelungener Netzwerkarbeit. Ein Vertreter der Malschule der Kunsthalle berichtete von der Einrichtung einer kunsttherapeutischen Werkstatt in Borssum für traumatisierte Flüchtlingskinder und Jugendliche noch vor dem Sommer. Die Kunsthalle biete kostenlose Malkurse und Führungen für Flüchtlinge aller Altersgruppen an.

Eine Psychotherapeutin wies auf den Mangel an Dolmetschern hin, die bereit seien, traumatisierte Menschen über einen längeren Zeitraum zu begleiten. Auch gebe es zu wenig Psychotherapeuten, die bei der geringen Bezahlung diese Begleitung vornehmen.

Ein Teilnehmer des Forums fasste den Abend, der nicht ohne Grund in der Paulusgemeinde stattfand, auf ermutigende Weise für alle zusammen: "Integration heißt für mich, Mithelfen eine neue Heimat zu finden. In unserem Stadtteil, der seit dem Zweiten Weltkrieg ,Neue Heimat? heißt, gibt es bereits eine solche Tradition."

(Juni 2015)

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