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Veranstaltungsarchiv 2014

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Enthüllung der Gedenktafel auf Borkum durch Dr. Klahr
Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr enthüllt die Gedenktafel der Evangelisch-lutherischen Christus-Kirchengemeinde am Gemeindehaus "Arche" auf Borkum zur Ermutigung für ein gutes Miteinander von Christen und Juden und zur Mahnung gegen Antisemitismus. Mit dabei waren Superintendent Burghard Klemenz (2.v. r.), Bürgermeister Georg Lübben (4.v.r.), die Beauftragte der Landeskirche Hannovers für Kirche und Judentum, Professorin Dr. Ursula Rudnick (4.v.l.), Pastor Jörg Schulze (3.v.l.) und Göran Sell, Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe auf Borkum, und Mitglieder des Kirchenvorstandes der Christus-Kirchengemeinde. (Foto: Hannegreth Grundmann)

"Nie wieder!"
Engagement auf Borkum gegen Antisemitismus
Landessuperintendent Dr. Klahr predigte


Die evangelisch-lutherische Christus-Kirchengemeinde feierte einen Gedenkgottesdienst, der an die antisemitische Vergangenheit der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde auf Borkum erinnerte. Auf Anregung des Ökumenischen Arbeitskreises zum Thema "Bäderantisemitismus und Antisemitismus auf Borkum im 19. und 20. Jahrhundert" hatte sich der Kirchenvorstand der Christus-Kirchengemeinde Borkum intensiv mit der Person Ludwig Münchmeyer auseinandergesetzt.

Münchmeyer war in den Jahren 1920 bis 1926 Pastor der Kirchengemeinde. Er hielt antisemitische Hetzpredigten und agierte für ein judenfreies Borkum.

"Heute stellen wir uns einem dunklen Kapitel in der Geschichte der Christus-Kirchengemeinde und der Landeskirche Hannovers auf Borkum", sagte Pastor Jörg Schulze. Bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts habe Borkum als "judenfreie Insel" für sich geworben.

Schulze begrüßte als landeskirchliche Vertreter den Landessuperintendenten des Sprengels Ostfriesland-Ems, Dr. Detlef Klahr, den Superintendenten des Kirchenkreises Emden-Leer, Burghard Klemenz, und die landeskirchliche Beauftragte für Kirche und Judentum, Professorin Dr. Ursula Rudnick, und hielt gemeinsam mit ihnen den Gedenkgottesdienst.

Versagen der Kirchenleitung
Landessuperintendent Dr. Detlef Klahr brachte in der Predigt seine Freude darüber zum Ausdruck, mit der Christus-Kirchengemeinde Gottesdienst zu feiern, aber auch sein Erschrecken darüber, dass auf dieser Kanzel ein Pastor in den zwanziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gegen Juden hetzte.

"Heute sagen wir deutlich, dass wir schuldig geworden sind am jüdischen Volk", sagte der Regionalbischof für den Sprengel Ostfriesland-Ems und überbrachte die Grüße von Landesbischof Ralf Meister an die Gemeinde. Die damalige Kirchenleitung habe im Umgang mit Münchmeyer, seinen antisemitischen Predigten und seinem Handeln völlig versagt, so Klahr.

Dr. Klahr legte den zentralen Text jüdischen Glaubens aus, der als Predigttext für diesen Sonntag in allen Gemeinden vorgesehen war. "Höre Israel, der Herr, unser Gott ist einer und du sollst ihn lieb haben von ganzem Herzen und mit all Deiner Kraft!"

Den Tag mit diesem Wort beginnen und beenden, dieses Wort an die Hände, die Stirn und Eingangstür binden und es den Kindern weitersagen werde an dieser Bibelstelle den Juden und auch uns aufgetragen. Auch unser Glaube brauche solche Erinnerungszeichen. Jesus stelle dieses Wort gemeinsam mit der Nächstenliebe auch an die erste Stelle des christlichen Glaubens.

Auf dem Weg zu einer Theologie des Respekts
Ein besonderer Moment im Gottesdienst war die Lesung des Predigttextes auf Hebräisch durch die Beauftragte für Kirche und Judentum in der Landeskirche Hannovers, Professorin Dr. Ursula Rudnick.

In ihrem Grußwort wendete sie sich gegen die "Lehre der Verachtung", die bis ins 20. Jahrhundert hinein in der Kirche als Form christlichen Hochmuts und theologischer Herabsetzung gegenüber Juden und Judentum zu finden war.

Mitte des 20. Jahrhunderts habe ein Neuansatz in der Theologie stattgefunden. Das "Ja" zur Fortexistenz des Bundes Gottes mit Israel wurde zur Grundlage einer neuen Verhältnisbestimmung von Kirche und Judentum. Dieses Verhältnis sei immer wieder lebendig zu gestalten. "Die Christus-Kirchengemeinde distanziert sich von dem antisemitischen Pfarrer Münchmeyer und tritt heute ein für eine Theologie des Respektes im Gegenüber zum Judentum", so Rudnick.

Bereichert wurde der Gottesdienst durch die "Ad hoc-Cantorei", einem Spontanchor aus Gästen und Insulanern unter der Leitung von Andreas Prade, und Kindern, die fröhlich von Gesang begleitet in den Kindergottesdienst gingen.

Gemeinsames Engagement
Im Namen der 26 Kirchengemeinden, die Superintendent Burghard Klemenz im Kirchenkreis Emden-Leer vertritt, dankte er denjenigen, die diesen dunklen Teil der Geschichte aufgearbeitet haben.

"Ich freue mich über ihren Mut", sagte Klemenz dem Kirchenvorstand, der die Gedenktafel am Gemeindehaus "Arche" anbringen ließ. Die Gedenktafel sei wie ein Stolperstein, um den eigenen Glauben immer wieder zu überprüfen. Wir sollten uns daran erinnern lassen, dass unser Glaube von einem Juden aus Palästina gestiftet wurde, so Klemenz.

Bürgermeister Georg Lübben betonte, heute sei jeder auf Borkum willkommen. In Kindergarten, Schulen und Vereinen werde gegenseitige Wertschätzung gelebt. "Die Gedenktafel macht deutlich, dass wir uns heute von dem antisemitischen Verhalten distanzieren", so Lübben. Der Bürgermeister kündigte an, dass neben dem Rathaus eine Gedenkstätte errichtet werde.

Carsten Wittwer, Pastor der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde, brachte die ökumenische Verbundenheit der lutherischen, reformierten und katholischen Kirchengemeinden auf Borkum zum Ausdruck. Der Grund für den ökumenischen Arbeitskreis, sich mit dem Antisemitismus auf Borkum zu beschäftigen, liege darin, dass es hier viele gab, die Münchmeyers Ansichten geteilt hätten. "Die beiden Tafeln am Gemeindehaus und neben dem Rathaus erinnern gemeinsam an unsere Schuld und Verantwortung, Augen, Herz und Mund nicht zu verschließen."

Katrin Rodrian überbrachte die Grüße von Landschaftspräsident Helmut Collmann. Sie erinnerte daran, dass sich Ostfriesland im April 1940 als erste Region im Deutschen Reich als judenfrei erklärt hatte. 1970 begann die Aufarbeitung dieser Geschichte. Es handelte sich dabei um die Geschichte der Opfer. Indem heute konkret an einen Täter erinnert werde, sei ein wichtiges neues Kapitel in der Erinnerungskultur aufgeschlagen worden.

Enthüllung einer Gedenktafel
Im Anschluss an den Gottesdienst enthüllte Landessuperintendent Dr. Klahr die Gedenktafel am Gemeindehaus "Arche" und sagte: "Möge diese Tafel für viele zum Anstoß werden, über die Geschichte nachzudenken und heute allen Formen von Antisemitismus und Fremdenhass mutig entgegenzutreten, auf dass wahr werde, was auf der Tafel steht: "Nie wieder!"

Die Tafel benennt das judenfeindliche Verhalten Münchmeyers und bezieht Stellung: "Wir blicken voller Scham auf die Schuld in dieser Zeit. Wir glauben an die Verbundenheit von Juden und Christen durch Gottes Wort und bekennen die Treue Gottes zum jüdischen Volk".

Im Gemeindehaus "Arche" am Neuen Leuchtturm gab es bei einem Empfang die Möglichkeit zu Begegnung und Gespräch. Dort wurde am 17. Juni eine Wanderausstellung zum Thema "Antisemitismus in Deutschland heute" eröffnet und ist noch bis zum 13. Juli 2014 zu sehen. Auf zehn Schautafeln werden die verschiedenen Ausprägungen von Antisemitismus dargestellt und erörtert. Die Ausstellung informiert über die drohenden Gefahren durch aktuellen Antisemitismus und schärft die Wahrnehmung für dieses Problem.

Ein von Frau Prof. Dr. Rudnick angebotenes umfassendes Begleitprogramm ermöglicht in Vortrags- und Gesprächsabenden eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema.

(Juni 2014)

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